Beschreibung
Mit dem relativ kleinen Objekt “Quadrat-Faltenkonstruktion” aus den 90er Jahren begegnen wir einer für das gesamte Werk des Schleswig-Holsteiners Günter Wiese typischen Arbeit. Gleichzeitig haben wir es mit einem prägnanten Beispiel klassisch konkreter Kunst und Gestaltung zu tun. Die in den drei Grundfarben Blau, Rot und Gelb gehaltene Skulptur aus ca. 2 mm starkem Kunststoff (Polistrol) ‘entfaltet’ sich gleichsam aus der zweidimensionalen Fläche (einem Quadrat) über das Relief in den Raum. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es hier ja nicht nur e i n e Ansichtsseite gibt, das wäre bei einem Wandobjekt der Fall, sondern dass da auch noch eine sozusagen gleichwertige Rückseite vorhanden ist.
Was zunächst als freie Komposition aus senkrecht annähernd parallel positionierten farbigen Dreiecken auf flachem Grund erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung als sorgsam geplante Struktur, die einem Raster bzw. dem Quadrat als Modul folgt. Und so ist die jeweilige Form der vertikal gesetzten Dreiecke eben nicht zufällig oder intuitiv entstanden, sondern sie wurde durch intelligentes Teilen aus der quadratischen Grundfläche gewonnen. Hat man als Betrachter dies erst einmal erkannt, dann kommen weitere, den Sachverhalt erhellende Erkenntnisse hinzu. Man erkennt, dass die hier starr verleimten flächigen Elemente der Konstruktion auch mit beweglichen Kanten (Scharnieren gleich) ausgeführt sein könnten. Das nun denkbare Klappen oder Kippen (im Titel der Arbeit “Faltung” genannt) würde eine bewegliche, vielfältig veränderbare Skulptur ermöglichen. Ganz konkret käme so Kinetik ins Spiel. Die im vorliegenden Fall gegebene Situation stellt die Möglichkeit bereit, sich angesichts des starren Modells eine Vielzahl weiterer Zustände vorzustellen, die durch Drehen und Klappen, ‘Faltung’ eben, herbeizuführen wären. Als ein Extremfall ließe sich die räumliche Reliefstruktur “restlos” in die Ebene des Grundquadrats zurückklappen, oder es ließe sich durch rigoroses Herausklappen der in sich noch abwinkelbaren Teile eine buchstäblich “Raum greifende” Skulptur erstellen. Diese Möglichkeit der Veränderung (von der Fläche in den Raum und zurück) greifen die Veranstalter dieser Ausstellung auf, wenn sie sämtliche Exponate dem Begriff “bewegt” zuordnen.
Günter Wiese geht es darum, sich und anderen die Wechselbeziehung der Natur (Naturstudium!) und technische Komponenten in der gestalteten Welt bewusst zu machen. Im Idealfall sind derartige Erkenntnisse dann sogar auf den eigenen persönlichen Bereich, die Existenz, übertragbar, und es wird deutlich: Kunst geht jeden an (tua res agitur). Das alles vermag dieses kleine Objekt, das eigentlich einmal ‘nur’ als Modell für eine größere Arbeit gedacht war, zu vermitteln. (Ulrich Behl in: “bewegt”. Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Bd.01, Kiel 2013, S. 100)
Künstler
Günter Wiese (* 5. Mai 1942)
1942 geboren. Ausbildung als Werbegestalter, anschließend Berufsfachschule für Werbegrafik. 1970 Examen für künstlerische Formgebung und Gestaltung. Freischaffender Künstler. Ab 1982 Lehrbeauftragter an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel. Lebt in Bülk bei Strande (Kreis Rendsburg-Eckernförde).
Literatur:
… bewegt… Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Carius-Verlag, Kiel, 2013, Band 1
… natürlich… Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Carius-Verlag, Kiel, 2016, Band 3
Weitere Informationen:
Kunst@SH
Schlagwörter / Ähnliche Werke
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Daten zum Werk
Hauptgruppe: Plastiken
Untergruppe: Kunststoffobjekt
Material: Polystyrol
Technik: Kunststoffverarbeitung (zusammengesetzte flache Tafeln)
Maße: H: 25 cm, B: 25 cm, T: 13,5 cm
Datierung: 1990er Jahre
Entstehungsort: Schleswig-Holstein
Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn