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Karl Fettweis:
Dekadenza

Karl Fettweis: Dekadenza

Beschreibung

Was fällt als erstes ins Auge, wenn man diesem Bild gegenüber steht? Architektur, dank der exakt geraden Diagonale, die direkt ins Bild führt. Doch dann schon bemerkt man sofort die Ambivalenz, die Illusion dieser Klarheit. Nicht nur, dass im unteren Fünftel knapp über der Dunkelheit etwas Blaues leuchtet: eine Schachtel? Vielleicht eine der französischen schwarzen Zigarettenboxen (bleau tabac) – Karl Fettweis rauchte so lange ich ihn kannte Roth-Händle (deutscher schwarzer Tabak aus dem Badischen). Auch der im ersten Blick architektonisch geformt anmutende Boden zeigt sich beim zweiten Hinsehen eher natürlich gebildet wie ein Wüstenboden durch Wind und Wetter, und nicht wie eine gegossene Betonfläche oder ein Estrichboden. Karl Fettweis ist gelernter Betonbauer, finden wir in seiner Biografie. Im Ruhrpott 1933 geboren, lebte er seit 1958 in Schleswig-Holstein. Als Maler ist er Autodidakt, als Lehrer benennt er Carl Lambertz, der ihn entscheidend gefördert hat.
Die sandigen Strukturen im hellen Ocker, die sich übrigens durch sein ganzes malerisches Werk ziehen, verweisen sicherlich auf die Liebe des Malers zum Süden, vor allem Italiens, das er dank mehrerer Stipendien in Florenz (in der Villa Romana), in Monterotondo und Volterra erleben und vertiefen konnte, kennen und lieben gelernt hat.
Die Dunkelheit am unteren Bildrand verweist offensichtlich auf seine jugendlichen Anfänge als Bergmann in Duisburg. Und diese Ambivalenz in seiner Berufswahl zieht sich dann durch das ganze künstlerische Werk des Malers. Das Gegeneinander oder auch Miteinander von Gebautem und Gewachsenem, der Kontrast von warmen und kalten Farben, von strenger Geometrie und amorpher Formung zeichnen sein Werk aus, wie beispielhaft in diesem Bild auch nachzuvollziehen ist.
Natürlich sieht man Kunstgeschichte. Kunst kommt immer aus Kunst, wie das Leben aus dem Leben kommt. Giorgio de Chirico mit seinen irritierenden Raumkonstruktionen kann als Zeuge aufgerufen werden wie auch Piranesi, der in Bildtiteln des Malers genannt wird. Max Ernst taucht auf in der eigentümlichen Oberflächenbehandlung der Bilder von Karl Fettweis. Auch wenn er ein Autodidakt war, hat er doch sehr viel Kunstgeschichte verarbeitet, wie man hier sehen kann, wenn man sehen kann. (Valentin Rothmaler in: “entgrenzt”. Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Bd. 02, Kiel 2014, S. 34)


Künstler

Karl Fettweis (* 28. September 1933, † 22. August 2006)
1933 geboren, 2006 verstorben in Kiel. Ausbildung in verschiedenen Berufen. Autodidakt. Ab 1977 freischaffender Künstler. Langjähriger Leiter des BBK-Pavillon in Kiel und BBK-Landesgeschäftsführer.

Literatur:
Ars Borealis Sonderedition 2, 2008, Retrospektive: Karl Fettweis, Kiel (1933-2006)
… bewegt… Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Carius-Verlag, Kiel, 2013, Band 1
… entgrenzt… Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Carius-Verlag, Kiel, 2014, Band 2
… natürlich… Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Carius-Verlag, Kiel, 2016, Band 3

Weitere Informationen:
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Daten zum Werk

Hauptgruppe: Malerei

Untergruppe: Gemälde

Material: Leinwand

Technik: Öl

Maße: H: 120 cm, B: 100 cm
Rahmen: H: 128 cm, B: 107 cm

Datierung: 1984

Entstehungsort: Quarnbek

Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn