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Kerstin Abraham:
Eisschrank

Kerstin Abraham: Eisschrank

Beschreibung

HIGHTECH IN TON
Es sind zwei merkwürdige, truhenartige Objekte, die Kerstin Abraham in Keramik gebrannt, teilweise glasiert und schließlich “Eisschrank” und “Kopfsauna” (siehe st1574a) benannt hat. Während der “Eisschrank” durch einen sargähnlichen Deckel majestätisch verschlossen bleibt, öffnet sich der Innenraum der “Kopfsauna” nach oben hin. Beiden Skulpturen liegen reale Objekte zugrunde: Ein amerikanischer Eisschrank, der es erlauben soll, Menschen nach ihrem Tode so lange einzufrieren bis irgendwann in der Zukunft die Todessursache medizinisch aufgehoben und der Betroffene wiederbelebt werden kann; eine Kopfsauna hingegen dient – sehr viel diesseitiger – der Behandlung chronischer Nebenhöhlenentzündungen bei Kindern.
Ein größerer Widerspruch ließe sich schwerlich denken, als ausgerechnet solch avancierte Hightechgeräte als handmodellierte Keramikformen zu ‘basteln’: Zugleich ist es ein vehementer Aufruf zur Rückbesinnung auf das irdische Material der Keramik, mit dem Kerstin Abraham ihre skulpturalen ‘Vorbilder’ hier geradezu demonstrativ auf die Sprache spontaner Hand-Arbeit herunterdekliniert hat. Dieser Gegensatz interessiert die Künstlerin: Unsere zunehmend maschinell, ferngesteuert und nach ökonomischen Prämissen produzierte Umwelt mit ihren synthetischen Oberflächen auf der einen Seite und die Spuren der hantierenden Hand andererseits. Ihr künstlerisches Plädoyer für das archaische Tun mit ursprünglichen Materialien unterläuft das Primat der Idee über deren Ausführung, die wir zunehmend an Produktionsstätten und neuerdings gar an 3D-Drucker verlagern. Denn, wie Richard Sennet formuliert, “Die körperlichen Tätigkeiten des Wiederholens und Übens ermöglichen es, Fähigkeiten von innen heraus zu entwickeln und die materielle Welt in einen langsamen Prozess der Metamorphose umzugestalten.”
So sind Abrahams keramische Modellierungen auch ein Abgesang auf die “Trennung von Kopf und Hand”, die letztlich dem Kopf schadet – unabhängig davon, ob dieser nach Jahrzehnten wieder aufgetaut oder zuvor einer Schwitzkur unterzogen wird. (Martin Hentasch in: “entgrenzt”. Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Bd.02, Kiel 2014, S. 10)


Künstlerin

Kerstin Abraham (* 1. Oktober 1956)
1956 geboren in Ost-Berlin, Studium der Kunst und Germanistik; Promotion (alles Humboldt-Universität, Berlin). 1983/94 Assistentin für künstlerische Grundlagen an der PH Erfurt. 1985–92 Assistentin für bildnerische Grundlagen an der Humboldt-Universität Berlin. Gleichzeitig Studium Keramische Plastik bei Gertraud Möhwald (Halle), anschließend Bildhauerei bei Prof. Rolf Szymanski (Hochschule der Künste Berlin). 1991 Stipendium des Kunstfonds Bonn. Dozentin für Plastik an der HdK Berlin 1992/93, Professorin für Plastik/Keramik Halle Burg Giebichenstein 1993/94, ab 1994 Professorin für Keramische Plastik Muthesius Kunsthochschule Kiel. 2005 Neuberufung als Professorin für Freie Kunst und Keramik an der Muthesius Kunsthochschule (Akademiestatus).

Literatur:
… entgrenzt… Kunst in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Carius-Verlag, Kiel, 2014, Band 2

Weitere Informationen:
Website


Schlagwörter / Ähnliche Werke

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Daten zum Werk

Hauptgruppe: Plastiken

Untergruppe: Keramik

Material: Keramik

Technik: gebrannt

Maße: H: 24,3 cm, B: 25,5 cm, T: 25,7 cm

Datierung: 1997

Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn